Während in Baden-Württemberg alarmierende Zahlen über das Insektensterben die Runde machen, sendet die Region Bodensee ein starkes Zeichen der Hoffnung. Pünktlich zum Internationalen Tag der biologischen Vielfalt am 22. Mai belegen aktuelle Zahlen des Projekts „Obst vom Bodensee“: Das Engagement für die Artenvielfalt trägt Früchte. In den Obstgärten der Region hat sich die Wildbienenvielfalt nicht nur stabilisiert, sondern auf einem beeindruckend hohen Niveau eingependelt – ein Erfolg, der dem negativen Bundestrend trotzt.
„Apfel-Projekts für mehr Artenvielfalt am Bodensee“: Ein Erfolgsprojekt mit messbaren Ergebnissen
Die Fakten sprechen eine klare Sprache: Laut der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) gilt inzwischen fast jede zweite Wildbienenart im Land als gefährdet. Ein düsteres Bild, das am Bodensee aufgehellt wird. Ein unabhängiges Monitoring, das seit über einem Jahrzehnt die Entwicklung begleitet, zählte 2021 ganze 112 verschiedene Wildbienenarten in den Obstgärten. Dies ist nahezu eine Verdopplung im Vergleich zur ersten Erhebung im Jahr 2010. Besonders bemerkenswert: Unter diesen Arten befinden sich 26, die landesweit als bedroht gelten oder auf der Vorwarnliste stehen. Sie finden hier einen sicheren Hafen.
Dieser Erfolg ist kein Zufall, sondern das Ergebnis von 15 Jahren harter Arbeit im Rahmen des „Apfelprojekts für mehr Artenvielfalt am Bodensee“. Die genossenschaftlich organisierten Obstbauernfamilien haben Biodiversität zu einem festen Bestandteil ihrer täglichen Arbeit gemacht.
Mehr als nur Blühstreifen: Ein ganzheitlicher Ansatz
Was genau tun die Betriebe für die Artenvielfalt? Die Maßnahmen sind vielfältig und durchdacht. Bislang wurden in der Bodensee- und Neckarregion rund 570 Hektar Blühflächen eingesät. Um sich diese Fläche vorzustellen: Das entspricht etwa 800 Fußballfeldern, die Wildbienen und anderen Insekten auch nach der Apfelblüte eine reiche Nahrungsquelle bieten.
Doch damit nicht genug. Über 14.400 neu gepflanzte Hecken, Bäume und dornige Sträucher bereichern die Landschaft. Sie dienen nicht nur als Nahrungsquelle, sondern auch als Lebensraum und Rückzugsort. Ergänzt wird dieses Engagement durch Nisthilfen für Wildbienen, Vögel und Fledermäuse sowie die Anpflanzung robuster Apfelsorten, die dem Klimawandel besser standhalten. „Unsere Obstwirtschaft lebt von der Vielfalt und übernimmt Verantwortung für ihren Erhalt“, erklärt Tim Strübing, Geschäftsführer von Obst vom Bodensee. „Nur wo es summt und brummt, ist auch die Zukunft des Obstbaus gesichert.“
Ökologisch und strategisch unverzichtbar
Das Engagement der Obstbauern ist mehr als nur Naturschutz. Es ist von enormer volkswirtschaftlicher und strategischer Bedeutung. Experten schätzen den Nutzen der Bestäubung in Deutschland auf rund 3,8 Milliarden Euro pro Jahr. Allein beim Apfel hängen rund 85 Prozent des Ertrags von der fleißigen Arbeit der Insekten ab.
Gleichzeitig sichert eine nachhaltige und widerstandsfähige Obstwirtschaft die regionale Versorgung. Da heimische Äpfel bisher nur etwa 57 Prozent des Bedarfs in Deutschland decken, ist der Erhalt des zweitgrößten Obstanbaugebiets Deutschlands – unserer Bodenseeregion – entscheidend für eine krisenfeste Lebensmittelversorgung.
„Es ist außerordentlich motivierend, wenn man sieht, wie sich die Wildbienenbestände in den vergangenen 15 Jahren verbessert haben“, resümiert Sabine Sommer von der Bodensee-Stiftung, die das Projekt von Anfang an mit ihrer Expertise begleitet. Das Beispiel vom Bodensee zeigt eindrucksvoll: Langfristige, wissenschaftlich begleitete und partnerschaftlich umgesetzte Naturschutzmaßnahmen in der Landwirtschaft funktionieren – und schaffen eine Zukunft, in der Mensch und Natur im Einklang leben.
Quelle Titelbild: Obst vom Bodensee
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